Das besondere Restaurant - Über alle Unterschiede hinweg

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - Juni 2012

Von Jürgen Dollase

01.06.2012 ·  Eine Serie in loser Folge: Wo Deutschlands Küche besonders ist. Diesmal: das „Päffgen“, Köln – weil hier eine klar herausgearbeitete, prototypische rheinische Küche angeboten wird; weil das Haus den Rang einer gastronomisch-kulturellen Institution hat; weil es in einer einmaligen Art und Weise typisch für Köln ist.

Das „Päffgen“ kann man nicht einfach nur „Brauhaus“ nennen, es ist eine kulturelle Institution. Für Touristen nicht ganz einfach zu finden, gehört es zu Köln wie der Dom, der Karneval, der FC und der Kardinal. Für viele Gäste ist das „Päffgen“ ein Ort der Freiheit, wo sich alle Generationen und sozialen Schichten treffen, wo man Pause macht, nach Feierabend vorbeischaut oder Feste feiert. Es heißt, dass Kölner, die längere Zeit im Ausland waren, nach ihrer Rückkehr als Erstes wieder ins „Päffgen“ gehen.

Das „Päffgen“ kann man nicht einfach nur „Brauhaus“ nennen, es ist eine kulturelle Institution. Für Touristen nicht ganz einfach zu finden, gehört es zu Köln wie der Dom, der Karneval, der FC und der Kardinal. Für viele Gäste ist das „Päffgen“ ein Ort der Freiheit, wo sich alle Generationen und sozialen Schichten treffen, wo man Pause macht, nach Feierabend vorbeischaut oder Feste feiert. Es heißt, dass Kölner, die längere Zeit im Ausland waren, nach ihrer Rückkehr als Erstes wieder ins „Päffgen“ gehen.

Zur Kultur nach Art des Hauses gehören Lebendigkeit und Pflege der Konstanten. Im „Päffgen“ geht es nicht nur um das würzig und ausgesprochen süffig schmeckende obergärige Bier, das ausschließlich in kleinen „Stangen“ von 0,2 Liter ausgeschenkt und normalerweise ohne Aufforderung serviert wird. Eine wichtige Rolle spielt vor allem das regionale Essen, das man hier in großer Authentizität bekommt und das dem „Päffgen“ immer wieder auch Erwähnungen in Restaurantführern verschafft. Trotz des großen Andrangs bleibt die Küche unter Chefkoch Bernd Parsch bei ihrer Linie, so viel wie möglich selbst zu machen und eng mit Erzeugern und Zulieferern zusammenzuarbeiten.

Auf diese Weise sind „Himmel un Äd mit Flönz“ (Himmel und Erde mit Blutwurst, 9,20 Euro), die berühmte Bratwurst (ab 4,80 Euro), die „Sülze nach Art des Hauses mit Remoulade und Bratkartoffeln“ (8,90 Euro), der „Biermarinierte Krustenbraten“ (10,90 Euro) und der „Rheinische Sauerbraten mit Klößen und Apfelmus“ (12,40 Euro, siehe „Der Teller“) von einer exzellenten Brauhaus-Qualität.

Der Teller

Der Rheinische Sauerbraten ist eine der typischen rheinischen Spezialitäten. In der Fassung im „Päffgen“ beeindruckt die Kombination aus guten Grundprodukten, überlegten Garungen und einem kräftigen, aber immer ausgewogenen Geschmacksbild. Die Elemente des „Rheinischen Sauerbratens mit Klößen und Apfelmus“:

Auch bei diesem Klassiker empfiehlt sich - wie in der modernen Küche - das Probieren der Einzelelemente und ein stückweiser Aufbau des Akkordes für einen optimalen Genuss.

Historie & andere Eigenheiten

Gegründet wurde die Brauerei Päffgen 1883 von Hermann Päffgen im Rubenshaus in der Sternengasse in Köln. Ein Jahr später zog der Betrieb an den heutigen Standort in der Friesenstraße 64, etwas abseits der touristischen Trampelpfade zwischen Dom und Neumarkt. Von außen dominiert immer noch der nüchterne Verputz aus Nachkriegszeiten, der die im Krieg zerstörte Gründerzeit-Fassade ersetzt hat. Erst 1949 konnte man damals wegen der schweren Zerstörungen das Haus wieder eröffnen.

Anders als die örtliche Brauerei-Konkurrenz expandiert die Brauerei Päffgen mit Absicht nur in Maßen und hat so den Nimbus einer Privatbrauerei perfekt kultiviert. Der Gast betritt das Haus durch einen eher unauffälligen Eingang und landet erst einmal zwischen den Zapfstellen und dem „Beichtstuhl“, dem winzigen Büro an zentraler Stelle, an dem alle Fäden zusammenlaufen und sich meist der Restaurantleiter vom Dienst aufhält.

Im Innern des Hauses herrscht eine Art purifizierter Stil, der ganz ohne jeden rustikalisierenden Nippes auskommt. Die Tische sind blank gescheuert und sehen belastbar aus, ohne dabei aber an Gemütlichkeit zu verlieren. Die Wände haben eine dunkle Holzvertäfelung, und der einzige Schmuck sind einige alte Gemälde mit Motiven aus Köln, ein paar alte Fotos und eine alte Speisekarte. Hier hat man Tradition und braucht sie deshalb nicht vorzuführen oder zu inszenieren.

Es gibt eine Reihe von Räumen, in denen sich auch bei Hochbetrieb hartnäckig eine Art spezifische „Päffgen“-Stimmung hält - laut, aber herzlich, immer irgendwie in Maßen und so, dass sich niemand belästigt und niemand ausgeschlossen fühlen muss.

Das eigentliche Kernstück des Ganzen, die kleine Brauerei, liegt gleich hinter dem im Sommer besonders beliebten Innenhof. Herr des Hauses ist Rudolf Päffgen (70), der das operative Geschäft mittlerweile an seine Stieftochter Eva Schmeisser übertragen hat. Schmeisser hat Geisteswissenschaften, Germanistik und Italienisch studiert, liebt die Großstadt und ihr Publikum „zwischen Anwälten und Putzfrau“. Eine zentrale Funktion haben die Kellner, hier „Köbes“ genannt, die längst aus verschiedenen Ländern kommen, aber alle die gleiche, sehr rheinische Offenheit im Umgang mit den Gästen pflegen. Hier werden viele Gäste persönlich begrüßt. Bedienung ohne Kommunikation zwischen Gast und Köbes gibt es nicht.

Weitere Besonderheiten: 90 Prozent der Gäste nutzen auch das kulinarische Angebot, es gibt aus Prinzip keine Cola, nur „richtigen Filterkaffee“ und keinen Espresso, und es läuft - außer während der Karnevalstage - keine Musik im Hintergrund. Das „Päffgen“ wird übrigens immer wieder zum beliebtesten Kölner Brauhaus gewählt, was auch daran liegen mag, dass es vom internationalen Tourismus weitgehend verschont bleibt. Hier ist Köln, hier kann man die Stadt, ihre Menschen, ihre Eigenarten und ihr Essen am besten kennenlernen.

Quelle: FAZ.NET

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/das-besondere-restaurant-ueber-alle-unterschiede-hinweg-11770631.html

 

Päffgen Kölsch: Drink doch ene met

Stern, Juli 2005

Köln ist vielleicht nicht Deutschlands schönste, wohl aber Deutschlands glücklichste Stadt. Jaaanz sischer dat. Auch von wegen Köln sein Kölsch. Warum es bei Päffgen am besten schmeckt.

Und jetzt alleee In München steht ein Hofbräuhaus - oans, zwoa, nur leider schmeckt dort das Bier nicht. Rheinländern jedenfalls nicht (Japaner aus Düsseldorf ausgenommen). Kann es gar nicht! Denn wer nur ein einziges Mal in den Genuss einer frisch gezapften, zart beschlagenen, duftschaumgekrönten Stange Kölsch kam, der ist für lauwarme Literware aus trüben Humpen für immer verloren. Unseren bayerischen Freunden bietet sich nach dem erneut siegreichen Aufstiegskampf unseres heldenhaften 1. FC künftig bei Auswärtsspielen in Köln gottlob wieder die Gelegenheit zum Lokalvergleich - folgen Sie dabei unbedingt unserer Empfehlung: Hausbrauerei Päffgen, Friesenstraße 64-66.

Hinein durch die Schwingtüren, den Gang entlang, an der Schwemme vorbei, rechts in den großen Gastraum. Nehmen Sie Platz, verhalten Sie sich ruhig, Ihr erstes Bier kommt unaufgefordert - aus dem Hinterhaus. Dort, in vorindustriellen Verhältnissen: duftende Maische in blanken Kupferpfannen, eine zarte Malznote in der Luft, das Kölsch-Parfüm.

Wohl nirgendwo sonst im Schatten der Domtürme wird so traditionell, so handwerklich gebraut wie hier - das "Päffgen" ist eine veritable Legende. Besonders am späteren Vormittag, kurz nach der Öffnung, wenn die ersten Kenner in den stillen Stunden vor dem Mittagsgeschäft, in ihre Zeitung versunken, vereinzelt über den Saal verteilt, auf das erste Kölsch des Tages warten. Die farbigen Fenster zur Friesenstraße - bleiverglast wie in der Kirche, damit der sonntägliche Klimawechsel vom Hochamt ins heilige Brauhaus als übergangslos empfunden wird - halten jede Hektik draußen. Seit 1884 hat sich hier so gut wie nichts verändert.

Warum auch? Rudolf Päffgen, der 63-jährige Brauherr, zuckt mit den Schultern und nippt am Kaffee: "Dat is doch Tradition." Die quadratmetergroßen Ölschinken im Saal sind dunkel vom Teer der Millionen Stumpen und Kippen, die Tischplatten aus Eschenholz werden wie eh und je mit Ata und Schmierseife hinten im Hof schneeweiß gescheuert. Wenn der Chef von allerfeinster hochmoderner Technik spricht, meint er damit die endgültige Verbannung stoffumhüllter Stromkabel oder einen instand gesetzten Verteilerkasten. Bestenfalls homöopathisch werden Änderungen vorgenommen, Bierdeckel mittlerweile weggeworfen statt nachts auf der Heizung zur Wiederverwendung getrocknet.

Das ist Rudolf Päffgen. Eigentlich will er nicht, dass man über seinen Laden schreibt. Et kommen eh zu vill, sagt er. Aber stolz auf sein Bier ist er allemal© Matthias Jung

Köln ist die vergessenste Biermetropole dieser Welt. Bis heute hat keine Stadt der Erde mehr Braustätten in ihren Mauern - Ende des 19. Jahrhunderts waren es mehr als einhundert, heute sind es immerhin noch 13. Das Päffgen ist dabei die letzte Hausbrauerei, die als Familienbetrieb praktisch nur für den Eigenbedarf braut: 6000 Hektoliter jährlich, das gilt bei den Großen bestenfalls als Mitarbeiterkontingent.

Das Herz des Betriebes schlägt im Sudhaus hinter dem Biergarten. Bis in die 50er Jahre führte der einzige Anfahrtsweg ins Hinterhaus quer durchs Lokal. Noch heute kann man im Gang zwischen Zapfbock und "Aula" die kleinen Tischchen an die Wand klappen, wo früher Pferdefuhrwerke durch die Wirtschaft rumpelten. Mittlerweile kommen Hopfen und Malz durch ein Tor von der Rückseite. Wie auch der Treber-Buur mit dem Unimog mittags pünktlich um zwölf, um sich die Brauabfälle für seine Rinder abzuholen. Allerfeinster Päffgen-Treber für folglich allerfeinste Rinder! Auch sonst blieb in der Brauerei alles beim Alten: Rostige Eisenträger unter dem Holzdach, windschiefe Balken, abgestützt an Nachkriegsmauern aus Vorkriegssteinen, abgeblätterte Farbe und klapprige Holzverschläge. Der Asphaltboden, wellig wie ein junges Hundefell im Nacken und ständig pitschnass von Fassreinigung und Hochdruckdüsen - 50 Liter Wasser rechnete man früher auf einen Liter Bier.

Im Keller liegt der Schatz. Lebensgefährlich steile Stufen hinunter, an tropfenden Backsteinmauern vorbei durch kühle Gewölbe, in den gekachelten Gärraum. Hier arbeitet das Bier in offenen Wannen, schäumend setzt sich die Hefe an der Oberfläche ab - obergärig. Später wird es gefiltert, darf reifen, wird schließlich in gepichte Eichenfässer gefüllt.

Brautechnik wie vor 100 Jahren. Prahlen andere, in 42 Stunden aus Wasser Bier zu machen, ruft Rudolf Päffgen entschieden: "Dat schaffen mir in 42 Tagen noch nit!" Der Aufwand lohnt sich - nie sieht man mehr betrunkene Braumeister als am Ende ihrer Jahrestagung in der Friesenstraße. Das Päffgen ist würziger als andere Sorten, in der Farbe bernsteiniger. Perfekt im Hopfen, sagen Kenner, nicht zu dünn und immer ein ganz kleines bisschen anders, Handwerksbier eben. Ein Bierlabor analysiert zwar akribisch, kümmert sich aber nur um "dat Schemische". Für die Geschmacksanalyse braucht man nichts als die Stammgäste: "Rudolf, häste widder selbs jebraut? Dat Päd hät Zucker!" Kommt aber eher selten vor ...

Für den Kölner ist sein Bier Religion. Zur Ehrenrettung der eigenen Marke riskiert er selbst minutenlange Missstimmung am Stammtisch. Das Kölsch gehört genetisch zum Kölner wie der Dom, der Rhein und dreimol Alaaf - das glaubt er sogar selbst. Dabei spielte das Obergärige die ersten knapp zweitausend Jahre der stolzen Stadtgeschichte keine Rolle. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg wurde hier hauptsächlich Pils getrunken, erst in den Sechzigern begann die Blüte.

Mäht nix: Was in Köln zweimal passiert, ist Tradition, nach dem dritten Mal Brauchtum. Also wurde ordentlich nachgelegt, das Kölsch - zu Recht - aufs Altärchen gestellt. Seit 1986 gilt die Kölsch-Konvention. Von Kartellamt und EU als Wettbewerbsregel anerkannt, schreibt sie vor, wer wo wie Kölsch herstellen darf - das gibt es sonst bei Chianti, Champagner und Bordeaux. Nur in Köln und einigen namentlich festgelegten Brauereien im nahen Umland darf das helle, blanke, hochvergorene und hopfenbetonte Bier gebraut werden, Namenszusätze wie "Premium" sind verboten. Getrunken wird Kölsch zwischen sechs und acht Grad aus hohen, zylindrischen Stangen, hauptsächlich in der Kneipe, der Fassbieranteil ist mit 45 Prozent höher als irgendwo sonst. Und noch eines scheint als eiserne Regel zu gelten: Konzerne können kein Kölsch, Oetker geht gerade schwer baden. Man muss offenkundig vor Ort sein, die Besonderheiten des Marktes, die Kölner kennen.

Dazu gehört auch zu verstehen, wie der geübte Kölner trinkt: in lockerem Gleichmaß, dem Rhythmus des Köbes angepasst. Der stellt - Bleistift hinterm Ohr, blaues Hemd, blauleinene Schürze und lederne Geldtasche, Bierkranz aus Zinkblech in der Hand - eine Stange nach der anderen hin. Gut, dass die "Rundschau für den Lebensmittelhandel" in ihren "After-work-tips" für die "Nightlife-Session" nach einem "anstrengenden Messetag" ihre verblüfften Leser vorwarnt: "Da kann es schon mal vorkommen, dass der "Köbbes" (sic!) einem ein frisches Kölsch serviert, das man gar nicht bestellt hat" - nä, wat et nit alles jibt! Dabei tut Aufklärung weiß Gott Not. Kölschtrinken muss man lernen, "suffe spille" sagt man am Rhein, wenn es grad so schön läuft. Dat is doch nix, dat kleine Gläschen - "haha, da lach i ja", kichert der dicke Bayer, und bums, kaum zwei Stunden später liegt er ziemlich waagerecht.

Wasser zum Ausgleich kommt nicht infrage, zum einen aus geschmacklichen Gründen, zum anderen wegen des Preises: Bei Päffgen kostet das Glas mit Einsfuffzich stramme 20 Cent mehr als die Stange Gold. Nur der deutschen Freude an Vorschriften geschuldet ist der Umstand, dass selbst hier mindestens ein alkoholfreies Getränk günstiger ist als Bier. Korn kommt zwar nur 1,20, gilt aber leider nicht. Deshalb bietet die Hausbrauerei unter der Bonnummer 555 das Glas frische Milch an - unternehmen Sie gern den Versuch einer Bestellung. Sie werden erstaunt sein, wozu der rheinische Frohsinn befähigt. Die Päffgen-Köbesse werden Sie als Touristen einstufen. Sie können sich viel ersparen, wenn Sie umgehend das Lokal verlassen.

Überhaupt die Köbesse. Für Franz Mathar, den Kölsch-Papst, sind sie das Geschenk Gottes an die kölschen Brauhäuser. Herrscht in den Touristenfallen am Dom und in der Altstadt beständiger Wechsel, gehören Päffgens Männer in Blau noch wie früher zum Inventar. Manche sind Jahrzehnte an Bord. Rekordhalter Willi Weil, genannt Stresemann, wurde nach einem halben Jahrhundert im Dienst als kaiserwürdiges Ölgemälde im Saal verewigt. Zwei Tunesier sind heute dabei, einer aus der ehemaligen Zone und auch sonst mancher Zugereiste. Egal, Kölner kann man werden, und zur Familie gehören sie alle - "Sie" Arschloch hat der Chef noch zu keinem gesagt. Früher haben die Köbesse mit im Haus gewohnt und tagsüber in der Brauerei gearbeitet. Nach dem Krieg haben sie erst die Vorderwand von der Friesenstraße gekratzt und später dann die ersten Bierbestellungen mit dem Fahrrad quer durch die Stadt gekarrt.

Heute kommen die Fässer mit der Sackkarre halbstündlich quer durchs Lokal gerollt, werden auf dem Zapfbock neben dem Eingang schräg aufgestellt und mit kräftigen Hieben angeschlagen. Sitzt der Hahn mal zu locker, schwimmt die Schwemme, und das Bier läuft auf die Friesenstraße. Läuft alles nach Plan und der Köbes bleibt trocken, zapft er seine Bestellung - jeder für sich - und marschiert mit seinen Bons am Beichtstuhl vorbei. Das ist die zentrale Kassenstelle.

Darin sitzt Frau Klütsch, zigarillorauchend, mit freiem Blick auf Fässer und Schwingtüre. Bedarfsweise kann sie sehr gut verstecken, dass sie eigentlich ziemlich freundlich ist. 190 Stangen müssen aus dem 38er Fass kommen; sind es nur 184, verdüstert sich ihre Stimmung bedrohlich. Die Köbesse begegnen ihr ähnlich gedämpft wie kluge Gäste den Köbessen. Vor Frau Klütsch steht ein vorsteinzeitliches Bakelittelefon mit Wählscheibe und rappelt alle fünf Minuten, auf dass Frau Klütsch ziemlich hochdeutsch verkünden kann: "Nein, heute leider nicht mehr, da müssten Sie schon vorbeikommen und schauen, ob was frei wird."

Manchmal gibt es einen "Nachtwächter", dann ist das letzte Fass nicht ausgetrunken und muss für die Bierhaxe herhalten. Das ärgert Frau Klütsch dann gewaltig, schließlich entscheidet ja sie, wann das nächste Fass angeschlagen wird, wann das letzte und in welcher Größe, und nach 20 Jahren kennt man doch den Durst der Gäste, und außerdem: Viel zu schade, das gute Bier!

Aushäusig gibt es Päffgen in Fässern zum Mitnehmen, Pittermännchen genannt. Morgens wird abgefüllt und mittags verkauft, niemals in Flaschen. Höchstens ein Siphon wird mal voll gemacht, gespülte Milchflaschen selbstverständlich nie - bewahre! Hinten, im zweiten Hinterhof, sitzt dann der Braumeister Wißkirche in seinem voll geramschten Verschlag, einsfünfzig auf einsfünfzig, mit Schreibtisch und Ablage, und teilt von sieben bis drei Uhr Bier zu. Natürlich bekommt nicht jeder den edlen Stoff ausgehändigt, zum Ausschank schon mal grad gar nicht. Nur zwei oder drei Kneipen in Köln können sich rühmen, Päffgen führen zu dürfen.

Rudolfs Bruder Max mit seinem Lokal in der Altstadt gehört nicht mehr dazu. Da hat es mal ziemlichen Knatsch gegeben, Gerichtsverfahren und Gemunkel von "medizinisch" schmeckendem Bier und von Familiengeheimnissen, die ausgepackt werden könnten, wenn der alten Frau Päffgen auf dem Sterbebett nicht in die Hand versprochen worden wäre Die Lokalpresse war jedenfalls wochenlang begeistert über die Fehde in der Brauerdynastie, man spricht bis heute nicht miteinander. Genaueres weiß wie immer keiner so genau, wie das in Köln nun mal ist: Die, die jet wisse, sagen nix. Un die, die jet sage, wissen nix.

Nur eines hat der Bruderkrieg deutlich gezeigt - es wird Zeit, dass sich Rudolf Päffgen endlich offen zum schrecklichen Geheimnis seiner Vergangenheit bekennt, damit die Erpressung nicht auf ewig wie ein Damoklesschwert über seinem gesegneten Brauhaus schwebt. Also durchatmen und eingestehen: Ja, er hat zehn Jahre das Altbierdorado "Uerige" in der Düsseldorfer Altstadt geleitet! Jetz is et raus - Kölner verzeihen.

 

Christoph Wirths

Zu Artikel bei Stern.de

Bild: © Matthias Jung     © 2010 stern.de GmbH

 

Wat wor dat fröher schön in Colonia

Päffgen Kölsch in der Frankfurter Allgemeine Zeitung 28. August 2000

Der Kölner neigt zur Sentimentalität. Kenner der kölschen Seele wollen wissen, daß es reicht, an einem beliebigen Abend in einer beliebigen Straße eines der Lieder „Heimweh nach Köln“ (mit dem innigen Schluß  „…zo Foß no Kölle gon“), oder „En unserm Veedel“ oder „Och, wat war dat fröher schön doch in Colonia“ anzustimmen, um die Kanalisation von Tränen der Rührung überfließen zu lassen. In dieser Behauptung tritt auch die zweite Schwäche des Kölners zutage: die Neigung zu hemmungsloser Übertreibung.

Sie zeigt sich auch in seinen Liedern. Denn wie immer es im alten Colonia zugegangen sein mag, schön war es nicht unbedingt. Vor allem nicht im Friesenviertel: Im fast gänzlich kriegszerstörten Nordwesten der Kölner Altstadt wird seit jeher nach Kräften gesündigt. Bausünden waren, wie überall in Köln, das markanteste Zeichen des Aufschwungs. Am Ring, der das Viertel nach Westen begrenzt, treibt der „Gerling-Konzern“ es munter weiter, Ein „Carree“ nimmt dem Viertel den Himmel, bringt die Fundamente der Häuser nahe der Baugrube ins Wanken. Schönes Colonia. Schön waren auch die Engel der Nacht nicht, denen morgens um sieben die Glocken schlugen und sie ermahnten, den „Engel des Herrn“ zu beten. Wachsbleich standen sie vor dem des „Cafe Prinzeß“, die letzte Zigarette der Nacht (oder die erste des Tages) rauchend. Und wenn sich die Zuhälter zu nahe kamen, war Krieg auf den Straßen.

Wie mag es in jener Zeit der Alten zumute gewesen sein, die die „Klütten“ für ihren Brikettofen nicht mehr aus dem Keller in den obersten Stock eines der wenigen Altbauten tragen konnte? Der Küster schickte Messdiener – wenn sie nicht auf Parkplätzen dürftig verstecken spielten, in Ruinen Schätze suchten oder auf Steinsarkophagen an der Sankt-Gereon-Kirche balancierten. Das Leben spielte den Kindern im „Veedel“ auch später hart mit. Auf der einzigen Wiese konnte man wegen des Hundekots nicht spielen. Irgendwann wurde vor dem Laden im Souterrain, aus dem es immer nach Waschpulver roch, eine zweite angelegt. Die Kinder tollten und schrien,  die Alten in den Fenstern tobten. Bald rückte das Grünflächenamt an und setzte große Pflanzen.

Selbst die Kirche lehrte, wie ungerecht es in der Welt zugehen kann. Im wunderschönen Monat Mai ging es in die Rosenkranzandacht, nicht nur einmal, sondern jeden Tag. Aber nicht alle Beter wurden belohnt. Denen, die nach Sankt Aposteln gingen, weil sie auf der linken Seite der Friesenstraße wohnten, winkte ein Ausflug ins bergische Land. Wer auf der „schäl Sick“ der Friesenstraße wohnte und zu Sankt Gereon gehörte, der blieb wo er war: im Friesenviertel.

Das ist alles so lange nicht her, und doch hat sich vieles geändert. Für die paar Kinder braucht es schon lange keine Friesenschule mehr, wo der es am Ofen warm hatte, der zur Straße in der Ecke stehen musste. Nur die Fassade steht noch, wie die Gründerzeit-Fassade auf der anderen Seite der Friesenstraße, die einmal Häuser waren und nun ein seelenloses Hotel kaschieren. Frau Lorenz, die von marmorweißen Platten Käser verkaufte, dazu Milch in Flaschen mit silbernen und goldenen Deckeln, heißt heute „La Bodega“, und wer die Dame vom Cafe Prinzeß sucht, der stößt auf eine Döner-Bude und nebenan auf braungebrannte Beaus, von denen halb im Scherz als „halver Hahn“ die Rede ist.

„Nix bliev, wie et iss“, pflegt der Kölner in solchen Lebenslagen zu äußern, ganz unsentimental und bar jeder Übertreibung. Auch das ist, wie immer in Köln, nur die halbe Wahrheit. Denn das schrundige Veedel hat immer noch ein Herz. Es ist das „Päffgen“. Als einzige ist die obergärige Hausbrauerei aus der im vergangenen Jahrhundert immensen Zahl von weit mehr als hundert Hausbrauereien übrig geblieben. Hier wird das Kölsch, das vorne gezapft wird, hinten im Sudhaus gebraut, hier sitzt man an blankgescheuerten tischen zusammen, hier wird das Kölsch in „Runden“ bestellt, von der einer dann sagt: „Die geiht op mich.“ Hier könnte man Frau Lorenz und die Alte vom Klapperhof treffen, wenn sie noch lebten, den Küster und vielleicht ein verhuschtes Engelchen, dazu den Vorstandsassistenten vom „Gerling“, der die „After-work-Party“ schon kannte, als sie noch gar nicht erfunden war.

Das alles ist ganz und gar nicht übertrieben und nur ein wenig sentimental. So wenig, wie Rudolf Päffgen auf unserem Bild mit der unerschütterlichen Zuversicht des Kölners von seinem „Beichtstuhl“ zwischen Ausschank und Saal das Geschehen in seinem Brauhaus beobachtet und schriftlich niederlegt: „Es bliev, wie et wor!“

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Brauhäuser: Päffgen lässt Früh und Gaffel hinter sich

Kölner Express 2010

Gehen wir in die Kneipe oder in die Disko? Am Ende entscheidet sich der Kölner am liebsten für das Brauhaus. Hier fühlt man sich wohl, hier ist man zu Hause. Hier ändert sich wenig. Es ist ein bisschen Wohnzimmer. Hier sitzt man mit guten Freunden und trinkt ein Kölsch. Oder zwei.

Von den Kölner Brauhäusern haben die EXPRESS-Leser das Päffgen in der Friesenstraße klar auf den ersten Platz gewählt (siehe Tabelle). Mit deutlichem Abstand folgen das Früh am Dom und die Malzmühle. Die Frage nach dem urigsten Brauhaus hat viele interessiert: Insgesamt 11 151 Leser haben sich beteiligt. Interessant: Bei den Frauen hat sich die Mehrheit (25%) für das Früh entschieden, es folgen das Päffgen Friesenstraße (20,5%) und die Malzmühle (17,5%). Auch in der Altersgruppe bis 29 Jahre liegt das Früh am Dom vorn(30,9%), vor dem Päffgen (20,2%) und dem Gaffel am Dom (14,1%).

In der Luft liegt ein aufregendes Gemisch aus Hausmannsküche und Hopfen. Das Parkett im großen Saal ächzt bei jedem Schritt. Vorne am Fenster haben es sich zwei Anzugträger gemütlich gemacht und genießen ihr Feierabendbier. Ein ganz normales kölsches Brauhaus, möchte man denken. Stimmt nicht. Mitarbeiterin Eva Schmeisser setzt sich auf dem „Beichtstuhl“ direkt am Eingang und nimmt den Telefonhörer in die Hand. „Brauhaus Päffgen, was kann ich für Sie tun?“

Freundlich wird die Reservierung aufgenommen, ehe der Hörer auf die Gabel gelegt wird. Die Gabel? Leben die hier immer noch nicht schnurlos? „Das Telefon ist bestimmt schon 60 Jahre alt. Aber es funktioniert. So sind wir eben“, sagt die Assistentin von Inhaber Rudolf Päffgen. Wenn der Chef in Urlaub ist, kümmert sie sich hier um alles.

„Dass wir beim EXPRESS gewonnen haben, ist fantastisch. Vielleicht schätzen die Leute unsere Bodenständigkeit.“ Ihr „Beichtstuhl“ gehört zum festen Inventar, denn an Eva Schmeisser kommt keiner vorbei, ehe der Deckel bezahlt wurde. Zwar steht das Päffgen in ständiger Konkurrenz zu anderen Brauhäusern, aber hier in der Friesenstraße hat man sich den Charme von einst erhalten.

„Wir verzichten auf den ganzen Schnickschnack, haben keine Cola auf der Karte. Kölsch, Wasser, Apfelsaft - fertig.“ An den Wänden hängen alte große Bilder mit Köln-Bezug, die Holztische haben mal bessere Zeiten erlebt. „Bei uns findet man auch keine rot-weiße Deko. Wir haben Kölsch und das ist Dekoration genug.“

Das Einfache als Betriebsgeheimnis. Schmeisser: „Auch wenn wir einen Artikel des Grundgesetzes außer Kraft setzen: Bei uns bliev et so, wie et wor.“ Dazu gehört, dass man auf das Bier schon mal warten muss. Schließlich zapft der Köbes selbst. Betriebs-Motto: Schlagfertig, flott und immer bemüht. Und weil das Päffgen trotz der Konkurrenz erfolgreich arbeitet, wird sich hier so schnell auch nichts ändern. „Warum? Hier kommen ja nicht nur Ältere vorbei, sondern auch Familien. Hier trifft sich eben jeder.“ Aber nicht an der Theke: „Wir haben keine Theke. So etwas gibt es in traditionellen Brauhäusern gar nicht.“

Zum Express Artikel online

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Päffgen in der International Herald Tribune

No doubt about it, the German know their beer. With some 1.400 breweries and 4.000 different beers, they ought to. Although there are perhaps dozens of brewery-halls as authentic and satisfying as Cologne´s Päffgen, I haven´t jet found them. Päffgen is a tiny brewery that produces Kölsch – a top-fermented beer unique to Cologne – solely für its tavern. The home brew, served in very thin, tall glasses, is pale, with a faintly lactic taste, and it´s clean and refreshing on the palate.

The huge, dark beer hall – actually a series of halls and a large outdoor terrace shaded by a big chestnut tree out back – offers everything one dreams of in a traditional German menu, in quality, quantity and value. Thick white china, ocher walls, an atmosphere that´s convivial but not boisterous make it the sort of place where even children in prams are found.

The herring fillets, hausfrauenart – bathed in sour cream, onions and aplles – are top the line; the thin, long bockwurst arrives accompanied by one of those good German potato salads, ever so sweet, ever so sour; the sauerkraut is neither too salty, too bitter, nor overly seasoned, and the hearty portions of sauerbraten – paired with a duet of industrial-strength potato dumpling – will keep you nourished for days.

Brauerei Päffgen in der New York Times

NYT Travel - May 2007

In Cologne, I would drink Kölsch, a light and fruity pale ale, one of the few beers protected by an appellation of origin as if it were a wine. (…) I found it at Brauerei Päffgen, a traditional wood-on-more-wood tavern on a narrow lane just outside Old Town. But drinking a Kölsch is more than just drinking a beer: it´s like drinking an entire culture.

By German law, only beers brewed in Cologne my called Kölsch, and they must be served in the tall, cylindrical glasses called stange. The Kölsch waiter, known as a Köbes, is almost always clad in blue and is universally known for a sharp tongue. (Request a glass of water instead of beer and your Köbes will probably ask if he should bring soap and a towel, too.)

I managed to get my first Kölsch without much hassle, handed over by a burly Köbes swinging the traditional round tray called a Kranz, or wreath. The beer not unlike a Pilsener in color, but the taste was much less bitter, with a nice grassy note in the finish.


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Generalanzeiger: Kölsch bitte

 

General Anzeiger 1995

Wenn es zischt, ist die Welt noch in Ordnung. Hell und herb, sauber und spritzig, weiße Krone, sanfte Würze. Kölsch ist eine Lebensphilosophie, ein Dialekt und das Kölner Bier schlechthin. In jedem Fall eine Herzensangelegenheit. Eine, die untrennbar mit der alten Stadt am Rhein verbunden ist, vom Dom mal abgesehen. Der Kölner läßt mit sich reden – und das gern und oft-, aber auf sein Bier läßt er nichts kommen. Da steht er Seite an Seite mit den Bierbrauern, die sich in der „Kölsch-Konvention“ 1986 nicht nur auf fairen Wettbewerb, sondern auch auf die reinheit des obergärigen Gebräus verständigten, wofür sie in den sechziger Jahren die „Kölsch-Prozesse“ ausgefochten haben.

 

Alle halten dem Kölsch die Stange – am liebsten unter den Zapfhahn. Wenn es aus dem Holzfäßchen ins elegant-schmale, röhrenförmige Glas sprudelt, muß die Zunge ordentlich arbeiten, um die gierig loszuckenden Geschmacksnerven zu zähmen.